„All jenen professionellen, passionierten Antikommunisten, die jetzt feixend und händereibend behaupten: ENDLICH SEID IHR KOMMUNISTEN AM ENDE, müssen wir deutschen Kommunisten, egal, ob wir nun hüben oder drüben hausen, erwidern: DAS IST NICHT WAHR: WIR FANGEN GERADE WIEDER EINMAL AN, DEN ANFANG DES ANFANGS DES WEGES ZU SUCHEN, DER UNS MÖGLICHERWEISE ZU UNSEREM ZIEL FÜHREN KANN. Selbst wenn sich dieser Weg wieder einmal als ein falscher Weg erweisen sollte, wird dies wenigstens den Vorteil haben, daß unsere Nachgeborenen wissen, welchen weiteren von uns eingeschlagenen Weg sie keinesfalls einschlagen dürfen. Selbst wenn unsere Nachgeborenen ebenfalls einen Weg einschlagen sollten, der sich abermals als ein weiterer falscher Weg erweisen sollte, wird dies ebenfalls wenigstens den Vorteil haben, daß die Nachgeborenen unserer Nachgeborenen wissen, welche Wege sie keineswegs einschlagen dürfen.“
Die kommunistische Schriftstellerin Gisela Elsner beschreibt in diesem „Ruf aus der tiefsten Tiefe des Unlands“ die politische Situation, in der sich die Linke nach 1989 beindet. Während die Antikommunisten ihren Sieg verkünden und das Ende des Kommunismus ausrufen, beindet sich die deutsche Linke in einer tief greifenden Krise: Mit dem Diskurs vom „Ende der Geschichte“ erscheint das kapitalistische Gesellschaftssystem als einzig denkbare Alternative durchgesetzt. Elsner diagnostiziert stellvertretend für ihre Zeitgenoss_innen, dass bei der Suche nach einer besseren Gesellschaft „falsche Wege“ eingeschlagen wurden. Diese Feststellung bedeutet für sie jedoch kein endgültiges Scheitern, sondern die Notwendigkeit einer erneuten Suche nach einem „Anfang des Anfangs des Weges“.
Um eine Analyse dieser „Suche eines neuen Anfangs“ in Zeiten linker Krisen zu ermöglichen, möchte ich eine Forschungsperspektive vorschlagen, die drei Ebenen – die der Theorie, der Praxis und der lebensweltlichen Erfahrung – in einen Zusammenhang bringt. Dies bedeutet, die Ideengeschichtsschreibung zu verlassen und nicht allein theoretische Relexionen über Theorie zu betreiben, sondern diese um eine praxisbezogene sowie eine erfahrungs- und emotionsgeschichtliche Perspektive zu ergänzen. Auf diese Weise begreife ich die Geschichte linker heoriebezüge auch als eine der gesellschaftlichen Praxis. Diese darf nicht allein ausgehend von wechselnden Paradigmen, sondern von politischen Handlungen, nicht allein anhand strategischer und theorieimmanenter Irrtümer, sondern anhand von Emotionen und Motivationen erzählt werden – und wird so zu einer Geschichte gelebter Erfahrung.
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Der ganze Artikel als PDF: Koenig-Theorie in Zeiten linker Krisen